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Dresdens Synagogen

und deren Gemeinden

Ein Rückblick anlässlich der Weihe der Synagoge Dresden-Neustadt am 3. September 2023

Anlässlich der Weihe der Synagoge Dresden-Neustadt am 3. September 2023 lohnt sich ein Rückblick auf die Entwicklung der Dresdner Synagogen und ihrer Gemeinden. Heute gibt es in Dresden drei jüdische Gemeinden – nicht immer ohne Spannungen untereinander. Dennoch ist dies 78 Jahre nach dem Holocaust eine begrüßenswerte Entwicklung hin zu einem zukunftsorientierten jüdischen Leben. Warum das so ist? Das beschreibt dieser Beitrag.



Am 8. Mai 1840 wurde die Alte Synagoge (nach ihrem Baumeister auch als Semper-Synagoge genannt) eingeweiht.

Es war eine glänzende, erhebende Feier! Die Synagoge war dicht besetzt, im Schiff von den eingeladenen Ehrengästen, wiederum den höchsten Staatsbeamten und Vertretern der Behörden, auf den übrigen Plätzen von der Gemeinde ...

(Emil Lehmann, Ein Halbjahrhundert in der israelitischen Religionsgemeinschaft zu Dresden. Erlebtes und Erlesenes. (Gustav Salomon) Dresden 1890)

1840: Die Alte Synagoge. Ein Meilenstein auf dem Weg zur Gleichberechtigung
1840: Die Alte Synagoge. Ein Meilenstein auf dem Weg zur Gleichberechtigung

Die Dresdner Synagoge wurde nach einem langen und zähen Kampf der Dresdner Juden für die Gleichberechtigung mit den Christen errichtet. Einige der Forderungen der Juden von 1834 wa


ren: Das Recht, verschiedene Gewerbe auszuüben; das Recht, Grundstücke zu erwerben; die Aufhebung des Geleitzwangs von Juden in den Bergstädten, die Abschaffung der Sonderzahlungen für Neuverheiratete, das Wohnrecht in den Vorstädten und die Bereitstellung von Feuerlöschern durch die Jüdische Gemeinde anstelle der zehn Thaler bei Bränden.


Endlich, am 18. Mai 1838, erlaubte König Friedrich August: In Dresden und Leipzig dürfen jüdische Gemeinden gegründet werden. Grundstücke für den Bau von Synagogen dürfen erworben werden. Juden dürfen Grundbesitz haben.

Für den Bau der Synagoge wurde ein damals minderwertiges Grundstück am Rande der Innenstadt zur Verfügung gestellt. Durch die umgebende Bebauung eingeengt, musste die Synagoge von der Seite betreten werden. Äußerlich erinnerte sie an eine romanische Kirche (nach Heidrun Laudel: Rundbogenstil). Dies zeigt das Bemühen der Gemeinde, sich der christlichen Mehrheitsgesellschaft anzupassen. Nur die Davidsterne auf den niedrigen Türmen wiesen von außen auf eine Synagoge hin. Erst die Innengestaltung mit ihren Anklängen an die maurische Architektur, und damit an die Blütezeit für die Juden im mittelalterlichen Spanien, drückte den Unterschied zu den christlichen Kirchen aus. Zur Zeit ihrer Fertigstellung war sie die größte Synagoge Deutschlands.


Heute wird die Architektur des berühmten Baumeisters Gottfried Semper wegen gerühmt. Für die Juden zur Zeit des Synagogenbaus war ihre Synagoge ein für alle sichtbarer Meilenstein auf dem Weg zur Gleichberechtigung.


1938: Zerstörung der Alten Synagoge

Foto der Zerstörung der Sempersynagoge in Dresden 1938
Die Sempersynagoge wird 1938 zunächst in Brand gesteckt und dann abgerissen

Während der Pogromnacht 1938 (8./9. November, auch als Kristallnacht bekannt) brannten die Nazis die Synagoge nieder. Die Ruine wurde gesprengt; die Steine wurden entsorgt, für den Straßenbau verwendet oder an Privatleute verkauft. Nichts erinnerte mehr an die Synagoge. Für die Zerstörung ihrer Synagogen mussten die deutschen Juden eine „Sühneleistung“ in Höhe von einer Milliarde Reichsmark an die Staatskasse zahlen.


Den Juden, die trotz großer Einschränkungen und Demütigungen noch geglaubt hatten, in Deutschland ausharren zu können, wurde nun endgültig bewusst, dass sie in Deutschland keine Zukunft haben würden.


1950: Die Synagoge auf der Fiedlerstraße. Der Anfang nach dem Ende.

Vor dem Holocaust zählte die Dresdner Gemeinde etwa fünftausend Mitglieder. 1945 sammelten sich in Dresden etwa 200 Verfolgte – Juden oder Menschen mit jüdischem Hintergrund. Sie kamen aus den Konzentrationslagern oder als Rückkehrer aus der Emigration. Einige hatten sich im Chaos nach dem Bombenangriff vom 13. Februar 1945 verstecken können und waren so in letzter Minute der Deportation entgangen.

Diese Überlebenden gründeten 1945 die Jüdische Gemeinde neu. Als Einheitsgemeinde versuchte sie, ihren Mitgliedern, gleich welcher Richtung des Judentums, eine Heimat zu geben. Gleichzeitig war sie ein Schutzraum: Hier war man unter seinesgleichen, hier gab es keine ehemaligen Nazis.



Foto der Synagoge auf dem israelitischen Friedhof in der Fiedlerstraße
Die Synagoge auf der Fiedlerstraße

Als Synagoge diente der Gemeinde die 1950 umgebaute Totenhalle vor dem Friedhof. Sie liegt in einer Nebenstraße und wird von der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen.

Die Einweihung 1950 stand ganz unter dem Eindruck des Holocausts. Daran erinnert noch heute die Gedenktafel an der Stirnseite des Innenraumes:



„Zur Erinnerung an die Toten und als Mahnmal für die Lebenden hat die Jüdische Gemeinde zu Dresden im Jahre 1950 diese Tafel ihren zahlreichen Brüdern und Schwestern geweiht, die von 1933 – 1945 der Mörderhand des Faschismus erlagen.“

2001: Die Neue Synagoge am Hasenberg

Fot der Neuen Synagoge Dresden
Die Neue Synagoge Dresden am Hasenberg seit 2001

Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion kamen viele jüdische Zuwanderer nach Deutschland und damit auch nach Dresden. Für die größer gewordene Jüdische Gemeinde wurde die Synagoge auf der Fiedlerstraße zu klein.


Mitte der 1990er-Jahre begannen Überlegungen zum Wiederaufbau der Dresdner Frauenkirche und etwa zeitgleich auch zum Bau einer Synagoge. Die Ausgangsbedingungen für den Bau beider Gotteshäuser waren jedoch sehr unterschiedlich:

Die Frauenkirche, einst ein Wahrzeichen Dresdens, später DAS Symbol für die Zerstörung der Stadt, war im Bewusstsein der Dresdner immer präsent. Dagegen waren die Dresdner Juden und ihre zerstörte Synagoge nach 1945 weitgehend aus dem Bewusstsein verdrängt und in Vergessenheit geraten.


Dass die Neue Synagoge gebaut wurde, ist wesentlich das Verdienst von Christen. Sie haben die Dresdner Juden wieder ins Bewusstsein vieler Dresdnerinnen und Dresdner gebracht: Seit 1981 durch den Arbeitskreis „Begegnung mit dem Judentum“, aus dem später die Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit hervorging. Regelmäßig durchgeführte Veranstaltungen zur Aufklärung über christliche Judenfeindschaft, zur Geschichte der Juden, zum jüdischen Widerstand in der NS-Zeit, aber auch zur „Euthanasie“, zur Verfolgung der Sinti und Roma oder zum Prozess gegen den Dresdner Gestapo-Chef Henry Schmidt trugen zur Erinnerung an die Juden bei. Es waren Christen, die 1988 an der Kreuzkirche, im Zentrum der Stadt, mit einer Gedenktafel an das Schicksal der Dresdner Juden (und das Versagen der Kirche während der NS-Zeit) erinnerten. Zu diesem Zeitpunkt gab es in Dresden noch keine Stolpersteine oder Denkzeichen, die öffentlich an ehemalige Dresdner Juden erinnerten.


Ein Wunder, wie manchmal zu hören ist, ist der Neubau also nicht. Ebenso wenig wie die Unterstützung durch viele Dresdner und Verantwortliche der Stadt, wie den damaligen Oberbürgermeister Herbert Wagner. Rund 25 Jahre Arbeit zur Erinnerung an Juden trugen ihre Früchte. Der Neubau der Synagoge war eine Geste privater und staatlicher Akteure: Wenn schon die Verbrechen an den Juden während der NS-Zeit nicht ungeschehen gemacht werden konnten, so sollte zumindest – durch den Bau der Synagoge – ein unübersehbares Zeichen des Willkommens an die Dresdner Juden, vertreten durch ihre Gemeinde, gesendet werden.


Dabei wird leicht übersehen, dass die erhöhte Aufmerksamkeit und die Unterstützung, die die Jüdische Gemeinde (Einheitsgemeinde) und ihre Repräsentanten erfuhren und erfahren, nicht auf ihre Leistungen abzielt, sondern vorwiegend den tradierten Respekt gegenüber den Opfern des Holocausts ausdrückt.

Ein Jegliches hat seine Zeit. Und alles Vorhaben unter dem Himmel hat seine Stunde...

(Prediger Salomon 3,1)

Zwei Gemeinden neuen Typs


2003: Chabad Lubawitsch Dresden. Der erste Schritt zur Normalität.


Foto der Mikwe
Mikwe

Chabad Lubawitsch betreibt als einzige jüdische Gemeinde in Dresden einen jüdischen Kindergarten und eine Mikwe (rituelles Tauchbad).

Mit der Eröffnung des Gemeindezentrums von Chabad Lubawitsch Dresden im Jahr 2003 wurde sichtbar: Auch in Dresden gibt es verschiedene Formen jüdischen Lebens. Das war ein wichtiger Schritt in Richtung Normalität: Juden sind ebenso wenig eine homogene Gruppe wie Christen und haben unterschiedliche Bedürfnisse!

Diese Gemeinde ist wie die Jüdische Kultusgemeinde Dresden selbstständig: Sie wird nicht vom Zentralrat der Juden in Deutschland vertreten. Sie finanziert sich nicht über Staatsverträge, sondern aus privaten und/oder regionalen Mitteln. Ihr Zulauf bestätigt, dass es einen Bedarf für solche Gemeinden gibt.


2023: Weihe der Synagoge Dresden-Neustadt der Besht Yeshiva und der Jüdischen Kultusgemeinde Dresden


Der Synagogenraum wurde überwiegend in (handwerklicher) Eigenleistung und mit Hilfe von Freunden der Gemeinde umgebaut und instandgesetzt. Bis zur Fertigstellung fanden Feiern auf der Baustelle, bei befreundeten christlichen Gemeinden, im Zelt oder bei den Nachbarn (Haus der Künstler, Hanse 3) statt.

Um die Bedeutung der Synagogenweihe der Dresdner Kultusgemeinde einordnen zu können, muss man etwas weiter ausholen. Ihr Rabbiner Akiva Weingarten entstammt der ultraorthodoxen chassidischen Gemeinschaft der Satmarer. Diese wurde nach dem Holocaust von den wenigen Überlebenden der Satmarer Gemeinde (heute: Satu Mare in Rumänien) in New York wiedergegründet und hat heute Zehntausende Mitglieder in den USA und in Israel. In dieser Gemeinschaft fanden ihre Mitglieder nach dem Holocaust Trost, Solidarität und einen neuen Lebensinhalt: Ein Leben in strengstens möglicher religiöser Form, in der fast jede menschliche Handlung von extrem eng ausgelegten religiösen Gesetzen bestimmt wird. Rabbiner Akiva Weingarten brach 2014 aus dieser Gemeinschaft aus, studierte Judaistik in Berlin und Potsdam und wurde 2019 von der Jüdischen Gemeinde Dresden (Einheitsgemeinde) als Rabbiner angestellt. Er wollte eine liberal-chassidische Yeshiva (Lehrhaus) einrichten, um anderen Aussteigern den Weg in ein normales bürgerliches Leben zu ebnen. Um dieses Vorhaben realisieren zu können, gründete Rabbiner Weingarten zusammen mit anderen Aussteigern aus der Orthodoxie eine unabhängige Yeshiva in Dresden und wenig später, mit demselben Stamm von Aktivisten, die chassidisch-liberale Jüdische Kultusgemeinde Dresden. Letztere hat heute ein Vielfaches an Mitgliedern im Vergleich zu den Aktivisten.


Was sind die Besonderheiten der Kultusgemeinde?

  • Der entscheidende Unterschied zur Einheitsgemeinde besteht darin, dass ihr Selbstverständnis nicht von der Vergangenheit herkommt, auch wenn die meisten ihrer Aktivisten einen familiären Holocaust-Hintergrund haben. Im Mittelpunkt steht ein lebendiges und fröhliches jüdisches Leben, zu dem jeder eingeladen ist.

  • Sie ist tolerant gegenüber allen jüdisch-religiösen Strömungen – solange die Gefühle anderer nicht verletzt werden.

  • Trotz ihres kurzen Bestehens (Gründung 2021) pflegt sie vielfältige Kontakte: zu staatlichen Institutionen, zu christlichen Gemeinden, zu Anwohnern usw. Nichtjuden nehmen am Leben der Gemeinde in verschiedenen Formen teil: als ehrenamtliche Unterstützer oder als Teilnehmer an Feiertagen und Schabbatabenden …), zu denen sie auch Freunde aller (oder auch keiner) Konfession mitbringen.

  • Sie hat sich innerhalb kürzester Zeit zu einem jüdischen Ort entwickelt, der in die Dresdner Stadtgesellschaft ausstrahlt.

  • Die Renovierung der Gemeinderäume und die Instandsetzung des Synagogenraumes erfolgte überwiegend in Eigenleistung.

  • Die Synagoge Dresden-Neustadt ist kein Symbol, das nach außen wirkt: Sie ist ein schlichter Raum, der die ursprüngliche Funktion der Synagoge wiederbelebt: ein Raum des Gebets, der Versammlung, des sozialen Austauschs.

Zusammenfassung

Die Geschichte der Dresdner Synagogen und ihrer jüdischen Gemeinden spiegelt die Rolle der Dresdner Juden in der Stadtgesellschaft wider. Die Synagoge von 1840 war ein erstes sichtbares Symbol auf dem Weg zur vollen Gleichberechtigung. Die Synagoge von 1950 und die dazugehörige Gemeindeorganisation dienten vor allem den Überlebenden als Schutz- und Rückzugsraum. Die Neue Synagoge der Einheitsgemeinde war ein Zeichen des Respekts privater und öffentlicher Spender gegenüber den 6 Millionen Ermordeten. Sie brachte die Dresdner Juden wieder in das Bewusstsein der Stadtgesellschaft zurück.

Die Gründung der Gemeinden Chabad Lubawitsch Dresden (2003) und der Jüdischen Kultusgemeinde Dresden (2021) sind wichtige Schritte auf dem Wege zur Normalität: Jüdisches Leben tritt aus dem Schatten des Holocausts heraus und wendet sich der Gegenwart und Zukunft zu.


Foto einer Veranstaltung der Sommerkurse in der JKD
Besht Yeshiva/Kultusgemeinde: Es gibt verschiedene Weiterbildungs- und Freizeitangebote, z. B. den Workshop Druck und Linolschnitt.





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