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Anlässlich des 27. Januar 2024

Neunundsiebzig Jahre nach der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz nimmt in der Antisemitismus in Deutschland wieder zu. Synagogen werden durch bauliche Maßnahmen geschützt und bleiben deshalb geschlossen. Polizisten schützen jüdische Veranstaltungen. Juden vermeiden äußere Attribute, um nicht als Juden erkennbar zu sein. Jüdische Schüler trauen sich nicht in die Schule zu gehen. Im Internet häufen sich antisemitische Hassbotschaften.Zehntausende Demonstranten solidarisieren sich mit den Palästinensern, darunter viele mit dem Ziel der Hamas, Israel und alle Juden zu vernichten. Trotz aller Bemühungen der Zivilgesellschaft, der Kirchen, der Bundesregierung (23 Millionen Euro allein im Jahr 2023) und vieler anderer Akteure: Juden in Deutschland fühlen sich mehr denn je bedroht.


Antisemitische (und andere rechtsextreme und rassistische) Vorkommnisse) werden systematisch durch die RAA Sachsen (https://www.raa-sachsen.de/) gesammelt und ausgewertet. Auch hier zeigt sich: Die Zahl der Vorkommnisse steigt. Dagegen haben die bisherigen Bemühungen, die sich vor allem auf die Vermittlung von Wissen über Juden oder über Verschwörungstheorien konzentrieren, wenn überhaupt, nur unzureichende Ergebnisse gezeigt. Die Annahme, dass mehr Wissen zu weniger Antisemitismus führt, ist kaum mehr als eine Annahme. Auf die seit etwa einem Jahrhundert bekannte Tatsache, dass Antisemitismus durch soziale Spannungen begünstigt wird, haben die Bemühungen ohnehin keinen Einfluss.

Gewiss ist das „Sichtbarmachen jüdischen Lebens“, wie häufig von Politikern gefordert wird, zu begrüßen – ob es einen Beitrag gegen Antisemitismus leistet, ist fraglich.


Foto vom Zünden des 1. Chanukkalichts in Dresden 2023
Öffentliches Zünden der ersten Chanukka-Kerze am 7.12.2023 durch Chabad Lubawitsch Dresden.

Was können wir tun?

Auch wenn davon keine Wunder zu erwarten sind: Ich schlage vor, viel mehr als bisher gemeinsame Aktivitäten von Juden und Nichtjuden zu organisieren. Damit soll auch verhindert werden, dass Juden zu “Anschauungsobjekten” degradiert werden, wie es z.B. bei Gottesdienstbesuchen oder Synagogenführungen leicht geschieht. Hier ist auch mehr Ehrlichkeit gefragt: Die wenigsten Juden sind an Gottesdiensten interessiert; Gottesdienstbesuche oder Synagogenführungen vermitteln kaum wirkliches jüdisches Leben.


Vorschläge als Anregung und zur Diskussion

  • Öffentliche Einladungen zur Teilnahme an Feiern wie Chanukka oder Purim, Pessach. Gemeinsame Vorbereitungen, z.B. Malen/Basteln, Zubereitung des Essens, Ausgestaltung des Raumes …

  • Öffentliche Einladungen zu Schabbatfeiern; Kennenlernen des Gottesdienstes und anschließendem Abend “unter Freunden”. Auch hier Beteiligung an den Vorbereitungen.

  • Regelmäßige gegenseitige Einladungen z.B. von Freizeiteinrichtungen, von Jugendlichen aus Kirchgemeinden, von Schülern, zu öffentlichen Veranstaltungen.

  • Ein erster Schritt in diese Richtung wäre ein Veranstaltungskalender, der die öffentlichen Veranstaltungen aller jüdischen Gemeinden in Dresden aufführt und einlädt. Dieser Veranstaltungskalender könnte an Schulen/Einrichtungen und über die sozialen Netzwerke bekannt gemacht werden.

  • Regelmäßige und zugleich langfristige Kontakte einzelner Jugendlicher mit Gemeindemitgliedern. Evtl. “Patenschaften” zwischen einzelnen Schülern und Gemeindemitgliedern, z.B. zum Deutschlernen oder für andere Unterstützung.

  • Einbindung von Juden in schulische Projektarbeit. Das Ziel sollte sein, dass die Schüler über eine längeren Zeitraum Juden in ihrem Alltag kennenlernen. Ein “Aufhänger” dafür könnte ein Projektthema sein.

  • Zusammenarbeit mit anderen Gruppen im sozialen Bereich; zum Beispiel mit Kirchgemeinden bei Wohnungssuche oder bei der Betreuung von Bedürftigen.


Welchen Beitrag kann die Zivilgesellschaft leisten?

Das Engagement der Zivilgesellschaft ist eine wichtige Voraussetzung zur Umsetzung der oben genannten Vorschläge:

  • Die wichtigste Aufgabe sehe ich im Herstellen von Kontakten zu Schulen/Jugendgruppen usw.

  • Unterstützung bei der Öffentlichkeitsarbeit für Veranstaltungen der Gemeinden


Was gewinnt die Zivilgesellschaft durch die Unterstützung jüdischer Gemeinden?

Durch die Zusammenarbeit lernen sich Juden und Nichtjuden kennen. Es entstehen persönliche Beziehungen, damit Erfahrungen mit realen Juden.


Schlussbemerkung

Die Vorschläge mögen naiv erscheinen. Ihre Umsetzung erfordert die Mitarbeit vieler Juden und setzt auch das Engagement der Dresdner jüdischen Gemeinden voraus. In den Dresdner Gemeinden sind weit über tausend Juden registriert. Wenn es gelingt, nur 5 % der Juden für solche Projekte zu begeistern, dann sollte – angesichts des vorhandenen Antisemitismus und der bisher relativ erfolglosen Bemühungen – zumindest ein anderer Ansatz versucht werden.

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